Orgontherapie

Einführung

Der Begriff Orgontherapie bezeichnet die therapeutische Technik, die von Dr. Wilhelm Reich (1897-1957) entwickelt wurde.

Heute kann dieser Ansatz beim American College of Orgonomy (ACO) (www.orgonomy.org) in Princeton, New Jersey, U.S.A. gelernt werden. Das ACO wurde 1968 von Dr. Elsworth F. Baker gegründet. 1950 hatte Reich Baker mit der Ausbildung von Therapeuten beauftragt und im Januar 1957, während ihres letzten Treffens wenige Wochen vor seiner Inhaftierung, bat er ihn, persönlich die Verantwortung für die Zukunft der Orgonomie zu übernehmen. Dr. Baker willigte ein und widmete diesem Ziel sein Leben bis zu seinem Tode 1985. Der heutige Präsident des ACO ist Peter A. Crist, für die Ausbildung ist Dr. Charles Konia zuständig.

Zunächst muß gesagt werden, daß eine mündliche oder schriftliche Beschreibung der Orgontherapie unmöglich alle Aspekte erfassen kann, die sie zu einer einzigartigen Behandlungsmethode machen. Die biophysischen Reaktionen, die integraler und unverzichtbarer Bestandteil des therapeutischen Prozesses sind, bewegen sich außerhalb der sprachlichen Sphäre. Außerdem erzwingt die Einzigartigkeit der bio-psychologischen Struktur jedes einzelnen Patienten eine je individuelle Herangehensweise. Solange wir uns jedoch dieser Einschränkungen bewußt sind, können wir die Grundlinien der Orgonomie und der Orgontherapie zeichnen.

Die Orgonomie ist die Wissenschaft, die die Orgonenergie erforscht. Diese Energie wurde von Wilhelm Reich (1897-1957) entdeckt, einst Student von Freud und Leiter des Seminars für Psychoanalytische Technik im Wien der Zwanziger Jahre. Reichs Arbeit an der Struktur der Patienten in der Analyse und seine Suche nach den Ursachen für Beginn und Aufrechterhaltung der Symptome bestätigte die von Freud (zumindest dem frühen Freud) postulierte Bedeutsamkeit von sexuellen Problemen. Als Reich im Anschluß daran versuchte, die physiologische Grundlage der Phänomene Angst und Lust zu ergründen, wurde ihm bewußt, daß diese gegensätzlichen Erfahrungen als psychologischer Aspekt realer energetischer Bewegungen im Inneren des Organismus betrachtet werden, können. Von der Peripherie hin zum Zentrum bei der Angst (Kontraktion) und vom Zentrum zur Peripherie bei der Lust (Expansion).

Als anatomische Grundlage dieses Geschehens wurde das „plasmatische System“ identifizert, das sich aus dem autonomen Nervensystem (sympathisches und parasympathisches Nervensystem) und dem vaskulären System zusammensetzt. Diese Studien legten einen Aspekt frei, der von der offiziellen Wissenschaft vollkommen ignoriert worden war: die Pulsation jedes lebendigen Organismus.

Pulsation ist ein rhythmischer Wechsel von Expansion und Kontraktion, wobei in biologischen Systemen die Expansion dominiert. In einer psychologischen Begrifflichkeit entspricht sie dem Drang, sich auszudrücken. Die Reduktion, die Hemmung, dieser Pulsation ist die Grundlage der gesamten Pathologie. Es ist das, was die Orgontherapie geraderichten will, um dem kontrahierten und blockierten Organismus zu ermöglichen, wieder auf eine natürliche Weise zu pulsieren. Die Beseitigung dieser Blockaden optimiert das Funktionsniveau des Patienten, indem der Symptombildung die Energie entzogen wird und diese statt dessen in den natürlichen Prozeß der Umstrukturierung und Wiederherstellung der psycho-somatischen Funktionen fließt. Dabei bleiben wir uns bewußt, daß das Symptom, so störend es auch sein mag, nichts weiter als einen Versuch des Organismus darstellt, seine Konflikte weniger schmerzhaft zu gestalten.

Das letztendliche Ziel der Orgontherapie ist es, den Patienten zur Erlangung dessen zu führen, was Reich „orgastische Potenz“ genannt und wie folgt definiert hat: die Fähigkeit, sich vollständig dem Energiefluß des Organismus hinzugeben und genitale sexuelle Erregung durch eine Abfolge unwillkürlicher Zuckungen des gesamten Körpers auf eine befriedigende Weise zu entladen ohne Hemmungen, Phantasien oder Angst. Klinische Erfahrung hat unmißverständlich gezeigt, daß ein natürliches Sexualleben davor schützt, energetische Spannungen aufzubauen, die sich durch die Bildung von Symptomen entladen.

An dieser Stelle sei an Reichs Entdeckung des Unterschiedes zwischen primären und sekundären Sexualtrieben erinnert. Die ersteren sind natürlich und nur sie verschaffen eine vollständige Befriedigung. Die letzteren sind unnatürlich und treten in Erscheinung, wenn die primären Triebe unterdrückt wurden. (Wir sprechen hier nicht nur über die allgemein anerkannte Sexualpathologie, sondern auch von allem, was mit einem gewissen „Kitzel“ verbunden ist: die Sexualität des Bordells, Pornographie, Promiskuität, der Sexualakt als Beleg für Pseudopotenz, etc.)

Ein Individuum, das in erster Linie auf der Grundlage der Befriedigung der primären Triebe funktioniert, ist ein genitaler Charakter, während derjenige, der ständig von seinen sekundären Trieben bestimmt wird, ein neurotischer Charakter ist. Der neurotische Charakter ist in seinen Panzer eingesperrt.

Der Muskelpanzer ist das zentrale Element in der Orgontherapie und wird wie folgt definiert: die Gesamtheit der chronischen, automatischen und unwillkürlichen Muskelverspannungen, die ein Mensch entwickelt, um sich gegen seine eigenen Emotionen zu schützen, insbesondere Angst, Wut und sexuelle Erregung. Der Muskelpanzer ist mit dem Charakterpanzer funktionell identisch.

Der Charakterpanzer setzt sich aus sämtlichen psychologischen Einstellungen zusammen, die der Mensch auf eine automatische und unbewußte Weise aufbringt, um Angst und andere als störend empfundene Emotionen abzuwehren. Am Ende führt das zur Erstarrung, dem Mangel an wahrem Kontakt und einem Gefühl innerer Leere. Er ist funktionell identisch mit dem Muskelpanzer.

Die Auflösung der Panzerung, das Ziel der Therapie, führt dazu, daß der Patient die Eigenschaften Ernsthaftigkeit, Aufrichtigkeit, Vitalität und Engagiertheit zurückgewinnt und Befriedigung sowohl in seinem Gefühlsleben als auch in seinem Arbeitsleben findet.

Er wird in der Lage sein, den Wechselfällen des Lebens auf eine rationale Weise entgegenzutreten, während er vorher, als er in seinem Panzer gefangen war, ein Leben führte, das durch Ausweichen vor dem Wesentlichen, durch Oberflächlichkeit, Unehrlichkeit, Impotenz, Frigidität, Promiskuität, neurotische Abhängigkeit, neurotische Resignation und einem Hang zum Mystizismus geprägt war.

Die Panzerung

Wir wenden uns nun dem therapeutischen Ansatz, auf dem die Orgontherapie beruht, im Detail zu. Um die orgonomische Sichtweise zu verstehen, ist es notwendig, sich einen Augenblick mit einigen grundlegenden Funktionsweisen eines gepanzerten Organismus zu beschäftigen. Die Panzerung ist, wie wir gesehen haben, die biopsychologische Verankerung der Unterdrückung von Emotionen. Sie bildet die psychische und somatische Struktur, d.h. Charakter und Muskelpanzer, der Person.

Die Hauptaufgabe der Panzerung besteht darin, ein psychisches und emotionales Gleichgewicht zu gewährleisten (auch wenn es pathologisch ist). Darüber hinaus dient sie der Angstvermeidung und der Absorbierung von verdrängten und nicht verdrängten Elementen.

Der Ursprung der Panzerung

Wie und warum bildet sich die Panzerung? Wie verwandelt sich ein lebenslustiges und offenes Kind in einen steifen, ängstlichen, leeren, oberflächlichen, neurotischen, resignierten Erwachsenen, der kaum echte Lebensfreude empfinden kann?

Die Antwort ist naheliegend: Wir alle fühlen uns unwohl, wenn wir es mit harten, verschlossenen, moralisierenden Menschen zu tun haben, die uns daran hindern, unsere natürlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Für ein Kind sind Situationen dieser Art weitaus schmerzhafter als für einen Erwachsenen. Beispielsweise kann der Blick der Mutter abwesend, feindselig, gleichgültig oder andauernd ängstlich sein. Das Kind kann dann nur versuchen, sich vor den Gefühlen von Angst und Einsamkeit zu schützen, die ein Kind in einem ungeheuren Ausmaß empfinden kann. Dies gelingt ihm durch die Unterdrückung seiner Spontaneität, mangelndem Interesse an der Umgebung, Niederhalten der Wut, die in ihm aufgrund der Versagung aufsteigt. Es wird alles versuchen, um die Intensität der eigenen Empfindungen und Schmerzen zu drosseln. Oder es verhält sich auf eine hyperaktive, aggressive, „ungehorsame“ Weise. („Dieses Kind macht mich wahnsinnig! Keinen Augenblick ist es still!“)

So haben wir eine Reihe von chronischen muskulären Haltungen vor uns, die den Kern der Panzerung ausmachen: Verspannungen des Brustkorbes und des Zwerchfells, des Halses, der Schultern, der analen Zone und des gesamten Beckens. (Versucht man, eine dieser Muskelgruppen anzuspannen, spürt man sofort, wovon hier die Rede ist.) Die Augen wirken verschleiert, abwesend, ständig traurig und ängstlich oder hochmütig und voll Verachtung. Oder das Kind kann die Objekte der Umgebung nicht „sehen“ und wird sich oft stoßen. Mit den Augen betrachtet man die Welt und kommt mit ihr in Kontakt. Aber wenn die Welt, in die das Kind hineingeboren wird, zu häßlich und zu beängstigend für es ist, was kann es anderes tun, als zu versuchen, nicht hinzublicken, sie so wenig wie möglich zu sehen?

Reich stellte fest, daß die chronische und unwillkürliche muskuläre Kontraktion ihr Gegenstück in den Charakterzügen hat. Es sind die sprichwörtlichen zwei Seiten der gleichen Medaille. Die eine kann es ohne die andere nicht geben.

Die in Norwegen durchgeführten bioelektrischen Studien haben u.a. einen sehr wichtigen Aspekt bioenergetischen Funktionierens des Organismus verdeutlicht. Wenn die Versuchsperson einer unangenehmen Reizung ausgesetzt wurde und gleich danach einer angenehmen, auf die sie zuvor mit einem Anstieg der bioelektrischen Ladung an der Körperoberfläche reagiert hatte, registrierte der Oszillograph nun ein Absinken der Ladung. Es brauchte etwa eine Stunde, bis die normale mit der Lust verbundene Reaktion wieder auftrat. Im Anschluß an die Verabreichung von unangenehmen Reizungen kommt es demnach zu einer Trägheitsphase. Eine ähnliche Reaktion findet man auch bei Protozoen. Nachdem sie von schwachen elektrischen Strömen gereizt wurden, nehmen sie eine Kugelform an und es muß einige Zeit verstreichen, bevor sie ihre Pseudopodien wieder auf eine Weise ausstrecken, die wir als „vorsichtig“ beschreiben würden.

Kurz gesagt zeigt der Organismus, bzw. seine biologische Energie, eine starke Neigung zur Kontraktion, auch anläßlich kleinerer oder schwächerer negativer Reizungen. Ist dieser Zustand einmal hergestellt, tendiert der Organismus dazu, auch dann noch an sich zuhalten, wenn die Reizung, die die Kontraktion hervorgerufen hat, schon längst vorbei ist. Vor diesem Hintergrund wird begreiflich, wie schwer, um nicht zu sagen unmöglich, es für ein Kind ist, aufzuwachsen, ohne sich abzupanzern (zu kontrahieren), und wie schwer es für einen gepanzerten Organismus sein muß, wieder auf natürliche Weise zu funktionieren. Die Panzerung hat die Tendenz sich zu verselbständigen.

Die Entwicklung der Therapie und ihr wissenschaftlicher Hintergrund

Der Entwicklungsverlauf von Reichs therapeutischer Technik und ihrer erkenntnistheoretischen Aspekte weist wohldefinierte und datierbare Entwicklungsschritte auf.

Nach einer ersten Periode, in der er sich eng an die Techniken und Prinzipien der Psychoanalyse hielt (Zwanziger Jahre), entwickelte Reich die Technik der Charakteranalyse, in der die Analyse der Charakterwiderstände das Hauptwerkzeug des therapeutischen Zugriffs wurde. Er entdeckte, daß der gesamte Charakter des Patienten krankhaft war, nicht nur dessen Symptome, demnach also auch Aspekte, die vom Patienten als „normal“ betrachtet wurden, hinter denen sich aber in Wirklichkeit Konflikte verbargen. Da wären beispielsweise Züge wie extreme Freundlichkeit, andauernde Arroganz oder das ständige Ausbleiben von Gefühlsregungen. Sie werden als integraler Bestandteil des eigenen Selbst betrachtet, erwiesen sich jedoch, sobald sie analysiert wurden, als Abwehr, die gegen den Aufstieg verdrängter Triebe errichtet wurde. Sie mußten also als genauso krankhaft betrachtet werden, wie die Symptome, die den Patienten dazu gebracht hatten, den Analytiker um Hilfe zu bitten. Der grundlegende Unterschied liegt darin, daß, während die Symptome als störend empfunden werden, die pathologischen Charakterzüge als integrale Bestandteile betrachtet und deshalb immer tapfer verteidigt werden.

1935 verschob die Entdeckung des Orgasmusreflexes den Akzent von der psychologischen in die somatische Sphäre. Reich prägte den Begriff charakteranalytische Vegetotherapie, um anzudeuten, daß die therapeutische Technik in der Lage war, die charakterliche Pathologie bis in ihre biologischen Grundlagen hinein zu beeinflussen. Die Therapie konnte tiefgreifende Veränderungen der Charakterstruktur des Patienten hervorbringen und intensive Körperreaktionen veranlassen.

Es war jedoch erst später mit der Entdeckung der Orgonenergie (1939) möglich, die therapeutischen Prozesse, die sich in den beiden Bereichen, dem psychischen und dem physischen, abspielten, zu vereinigen.

Die Orgonenergie funktioniert im Organismus als die spezifische biologische Energie, die sowohl in der psycho-emotionalen als auch in der physischen Sphäre zum Ausdruck kommt. Reich definierte Orgontherapie als die therapeutische Technik, die es erlaubt, die biologische Energie aus ihren psychischen und somatischen Blockaden zu befreien und, als unvermeidliche Konsequenz, den Organismus zu einem gesünderen und natürlicheren Funktionieren zu bringen.

Träume

Vom Patienten erzählte Träume geben einen Anhalt dafür, in welche Richtung die Therapie voranschreitet. Bis das Beckensegment nicht erreicht ist, werden die Träume von der Ebene des Ich her interpretiert. Die Interpretation ihrer libidinösen Bedeutung wird für die Endphase der Therapie aufgespart, wenn die Genitalangst und die Orgasmusangst zusammen mit ihren ödipalen Repräsentanzen die Szene beherrschen. Eine reichliche Produktion von Träumen deutet üblicherweise darauf hin, daß die Panzerung des Augensegments nachgibt.

Der Anwendungsbereich der Orgontherapie

Das Reichsche Denken ist von einer grundlegenden Kenntnis der energetischen Aspekte jenseits der rein strukturellen Herangehensweise geprägt. Das erlaubt es dem Therapeuten, sowohl in akuten wie auch in chronischenFällen einzugreifen.

Das tiefreichende energetische Ungleichgewicht, welches durch die Panzerung hervorgerufen wird, die fehlende natürliche bioenergetische Regulation, welche auf die chronische orgastische Impotenz zurückgeht, bringt psychische und somatische Symptome hervor, wenn die Abwehr die Kontrolle über die Situation verliert. In Kenntnis dieser Energiematrix ist es dem Orgontherapeuten möglich, folgende Fälle mit Erfolg zu behandeln: Panikattacken, die heutzutage so verbreitet sind (oder andere Manifestationen einer akuten Dekompensation, beispielsweise der akute psychotische Zusammenbruch oder akute Delirien), wie auch Fälle von Asthma, Reizdarm, Kopfschmerzen, funktionelle Störungen im allgemeinen. Es ist nicht selten, daß der Patient schon nach wenigen Sitzungen von einer Besserung zu berichten weiß. Dank der Fortschritte in der Behandlungstechnik, die sich mittlerweile über Jahrzehnte hinweg bewährt hat, ermöglicht die Therapie eine adäquate energetische Entladung während der Sitzung. Wenn sich das akute Bild gebessert hat, schreitet man zur Umstrukturierung der Panzerung voran auch in Fällen schwerwiegender psychiatrischer Störungen (Schizophrenie, manisch-depressive Psychose, Persönlichkeitsstörungen, Zwangsstörungen, Phobien, Hysterie, Depressionen, Störungen des Eßverhaltens).

Kinder profitieren schnell und dauerhaft von orgontherapeutischen Eingriffen. Ihre Panzerung hat sich noch nicht konsolidiert, ihre Fassade ist noch nicht so komplett wie bei Erwachsenen. Sie sind deshalb freier und ehrlicher in dem, was sie auszudrücken versuchen. Während mit Erwachsenen lange gearbeitet werden muß, um einen ehrlichen Kontakt herzustellen, ist dies mit Kindern nicht notwendig. Da der Kontakt das Hauptelement des therapeutischen Erfolges ist, ist es nicht verwunderlich, wenn man mit ihnen schnell fruchtbare Fortschritte macht.

Dank ihrer funktionellen Sichtweise, die weder mechanistisch noch mystisch ist und dank der grundlegenden Kenntnisse von den bioenergetischen Bedürfnissen des Menschen, ermöglicht die Orgontherapie einen generellen Umstrukturierungsprozeß des gesamten Organismus. Das stellt die bestmögliche Garantie für ein reibungsloses, natürliches und dauerhaftes individuelles Gleichgewicht dar.

Zusammenfassung

Am Ende dieser Darstellung sollte deutlich geworden sein, was Orgontherapie im Grundsatz ist. Sie ist eine sehr effektive Behandlungsform, aber sicherlich kein Allheilmittel. Es werden nicht alle Übel auf magische Weise beseitigt.

Die Therapie ist sicherlich anspruchsvoll, sie verlangt vom Patienten, daß er seinen Teil der Verantwortung trägt und sie dringt in Tiefen vor, die der Patient vermeiden will, aber genau von „dort“ stammen alle seine Probleme und sein Leiden. Im übrigen ist der Wunsch geheilt, von der eigenen emotionalen und existentiellen Not befreit zu werden, die Hauptvoraussetzung für das Gelingen der Therapie, unabhängig vom Grad der Pathologie, die der Patient am Beginn der Therapie zeigt. Ein Schizophrener, auch ein schwerer Fall, kann aus der Therapie großen Nutzen ziehen, wenn der Wunsch zur Heilung intensiv ist, während ein gewöhnlicher Neurotiker, der nicht ausreichend motiviert ist und sehr an seiner Panzerung „hängt“, auf dem Weg zu seiner Gesundung auf zu viele Probleme treffen kann, so daß er schließlich die Therapie abbricht.

Der Therapeut weiß, daß der Patient, der sich über Jahrzehnte in einem Zustand pathologischer Kontraktion befand, Zeit braucht, bevor seine Struktur anfängt, auf eine natürlichere Art und Weise zu funktionieren, und er wird ihn niemals zu etwas zwingen, das er noch nicht bewältigen kann. Der Therapeut weiß schließlich, daß auch der motivierteste Patient alles tun wird, um die so ersehnte aber noch mehr gefürchtete Veränderung seiner Charakterstruktur zu hintertreiben. Sie bringt zwar Leiden mit sich, aber er identifiziert sich vollkommen mit ihr. Sie stellt für ihn die einzig mögliche Realität dar.